Was bedeutet das für Arbeitslose, die Quartiere in Bremen und für arbeitsmarktpolitische Dienstleister?
Das Jobcenter Bremen hat sich gehörig verkalkuliert. Die Mittel zur Eingliederung von Arbeitsuchenden sind bereits zur Jahresmitte weitgehend ausgegeben oder verplant. Neue Weiterbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen seien in 2024 nicht mehr finanzierbar, hat das Jobcenter Bremen mitgeteilt.
Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Jobcenter Bremen über den Bundeshaushalt für Eingliederungsmaßnahmen rd. 10 Mio. € (14 %) weniger Mittel als 2023 zur Verfügung stehen. So positiv die Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in der ersten Jahreshälfte zu werten ist, hat die plötzliche Ankündigung, keine neuen Maßnahmen mehr bewilligen zu können, desaströse Auswirkungen auf alle Beteiligten:
- Für Langzeitarbeitslose: Qualifizierungsmaßnahmen können erst mal nicht mehr begonnen werden. Vielleicht im nächsten Jahr. Und das vor dem Hintergrund, dass politisch allerorten Weiterbildung als der „Königsweg“ aus Arbeitslosigkeit gepriesen wird! Neue Beschäftigungsmaßnahmen zur schrittweisen Eingliederung in den Arbeitsprozess finden erst mal nicht mehr statt. Menschen in laufenden Beschäftigungsmaßnahmen verlieren abrupt und unerwartet innerhalb von vier Wochen ihre Perspektive. Gleichzeitig wird das 2019 beschlossene „Teilhabechancengesetz“ vom wissenschaftlichen Institut (IAB) der Bundesagentur für Arbeit als Erfolgsmodell gewertet!
- Für Menschen in den Bremer Quartieren: Beschäftigungsmaßnahmen bieten Langzeitarbeitslosen nicht nur eine Struktur, soziale Teilhabe und einen Weg in den Arbeitsmarkt. Mit Beschäftigungsmaßnahmen wird viel gemeinwohlorientierte Arbeit geleistet. Viele quartierbezogene Projekte „leben“ von Menschen in Beschäftigungsmaßnahmen. Mehr als 20 dieser Projekte werden nicht mehr stattfinden können. Nach dem 1. August dieses Jahres gäbe es in etlichen Quartieren keinen Quartierservice mehr, Gebrauchtkaufhäuser und Stadtteiltreffs für Menschen mit sehr wenig Geld würden schließen müssen, Straffälligenarbeit würde eingestellt, Tafel und Suppenengel verlören Unterstützungskräfte. Das Vegesacker Geschichtenhaus steht vor dem Aus. Nicht zuletzt die Kinder- und Jugendfarm Habenhausen wäre empfindlich getroffen. Alles das sind Beispiele für Projekte, in denen Menschen am unteren Rand der Gesellschaft, finanziert durch öffentlich geförderte Beschäftigung, Menschen am unteren Rand der Gesellschaft in den Quartieren unterstützen und damit diese Quartiere nachhaltig stärken.
- Für Weiterbildungs- und Beschäftigungsträger: Für die Träger von Weiterbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen bricht „von null auf sofort“ ein erheblicher Teil der Geschäftsgrundlage weg. Mietverträge und Arbeitsverhältnisse laufen dagegen weiter, ohne das Einnahmen gegenüberstehen. Viele dieser Träger sind gemeinnützig tätige Organisationen und verfügen damit zwangsläufig über keine nennenswerten Rücklagen, um einen Zeitraum bis zum Jahresende überbrücken zu können. Diesen Trägern droht schlicht die Insolvenz. Damit gehen arbeitsmarktpolitische Strukturen verloren, die auch nicht einfach wieder hochgefahren werden können. Weg ist endgültig weg.
Die Perspektive bei Weiterbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für Arbeitsuchende ist ohnehin nicht rosig. Das lassen die Diskussionen über den Bundeshaushalt für 2025 vermuten. Die Koalition plant, die Eingliederungsmittel der Jobcenter weiter erheblich zu kürzen. Wenn das so kommen sollte, müssen sich alle Beteiligten notgedrungen darauf einstellen. Aber die abrupte Ankündigung des Jobcenters, in der zweiten Jahreshälfte keine neuen Maßnahmen mehr finanzieren zu können, entzieht allen Beteiligten schon vorher existenziell die Grundlage. Fehler können passieren. Hier aber einfach zur Tagesordnung überzugehen, schädigt Arbeitsmarktpolitik in Bremen nachhaltig. Es braucht Lösungen, die Arbeitslosen ihre Perspektive und den Quartieren ihre gemeinwohlorientierten Projekte erhält sowie Bildungs- und Beschäftigungsträgern überhaupt ermöglicht, die dafür erforderlichen Lern- und Anleitungsstrukturen erhalten und sinnvoll anpassen zu können.
Als Verbund der arbeitsmarktpolitischen Dienstleister in Bremen sehen wir die das Jobcenter tragenden Instanzen – die Agentur für Arbeit und die Stadtgemeinde (Kommune) Bremen – in der Pflicht. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass die bis vor wenigen Tagen gegenüber allen erklärten Absichten der Beschäftigungsförderung in Bremen durch das Jobcenter Bremen finanziert werden können.